Essência do Vinho
Übersetzt heißt das „trüb“. Und trüb ist er der Boal aus dem Jahre 1908, dazu dunkel-rost-braun. 77 Jahre hat er im Fass gelegen. Und jetzt zeigt er bei zurückgenommener Süße immernoch eine kräftige Säure. Konzentriert wirkt er. Und eine Würze! Die würde man dem alten Knaben von der Blumen-Insel Madeira, jüngst von schweren Unwettern heimgesucht, kaum noch zutrauen. Und dann diese Aroma-Noten von geröstetem Holz und – ganz typisch! - Curry-Nuancen.
Vor 100 Jahren trat in Portugal die Republik an die Stelle der Monarchie. Auch wenn dann für fast ein halbes Jahrhundert wieder ein autoritäres Regime angesagt war – bei der „Essência do Vinho“ hat man sich das Jubiläum durchaus auf der Zunge zergehen lassen. Im stolzen Arabischen Salon darf während dieser 7. „Essência“ ein erlesener Kreis vier 100 Jahre alte Schätzchen verkosten: Neben dem Boal ein Moscatel aus Setubal, ein Vintage vom Douro und ein Sercial, wie der Boal aus Madeira.
So viel ließe sich resümierend sagen: Ginge es nach dem Zustand dieser Tropfen, dürfte es einem um den Zustand der portugiesischen Republik nicht angst und bange werden, Haushaltskrise hin oder her. Denn sie zeigen sich vergleichsweise frisch. Starke Fruchtaromen wie (Trocken-)Pflaume und/oder Orange wie beim bereits eingetrübten Moscatel und beim Port-Vintage oder noch deutliche Würze beim dunkel-orangefarbenen Sercial. Ein Erlebnis ist es allemal!
Das gilt auch für eine ganz andere Probe, in der vergleichsweise ganz junge Weine ins Glas kommen. Die Independent Wingrowers' Association hat zur Probe geladen. Jedes der fünf Mitglieder wartet mit zwei Weinen auf – und jeweils auch mit einer überraschenden Erkenntnis.
Da ist zum Beispiel Luis Pato aus der Bairrada, der "König der Rebsorte Baga", wie er gerne genannt wird. Er lässt zwei Rotweine ins Glas eben: alte Reben 1990 und alte Reben 2007.