Deutschland - Sommeliers
Nachwuchs-Sommeliers - Trainingsseminar
Mit dem Ziel, den Ausbildungs- und Wissensstand der in Deutschland tätigen Weinfachleute in der Gastronomie anzuheben, ist die Sommelier-Union Deutschland e.V. ständig auf der Suche nach jungen, förderungswürdigen Nachwuchskräften.
Beim "Nachwuchsförderprogramm" werden an 2-tägigen Trainingsseminaren u.a. Sensorikproben aus verschiedenen Anbaugebieten, sowie die Vermählung von Speise und Wein in Form eines Abendmenüs in Theorie und Praxis angeboten. Übungen zum täglichen Umgang mit dem Gast anhand von Rollenspielen und Vidioanalysen finden ebenfalls statt. Finanziert wird das dreijährige Programm über Sponsoren und von den Trainees selbst.
Mit dieser Vorabinformation fahre ich bei Schneetreiben an einem Februarsonntag mit dem Zug nach Coburg, um im Romantik Hotel Goldene Traube an einem der Trainingsseminare beobachtend teilzunehmen. Während des gemütlichen "get togethers" am Abend treffen nach und nach die aus ganz Deutschland angereisten Nachwuchssommeliers ein, um sogleich einen ungarischen Sekt zu probieren - ungarische Weine sind das Thema dieses Abends.
Zum Abendessen werden Carpaccio vom Nordsee-Kabeljau mit gerösteten Sesamkörnern und Sojasoße aufgetischt. Dazu ein Wein aus einer autochthonen ungarischen Rebsorte sowie eine Cuvée mit der Neuzüchtung Zenit.
Zum nächsten Gang - rosa gebratener Entenbrust mit asiatischen Gewürzen karamelisiert, Zimt-Kirschragout und Polentaschnitte - werden zwei Rotweincuvées (Cabernet Sauvignon - Merlot bzw. Cabernet Sauvignon - Cabernet franc, Barrique) gereicht, nach ausgiebiger Verkostung und Disskussion jedoch in dieser Kombination als weniger geeignet empfunden. Nanu? Da die griechischen Weine nicht dem Hause entstammten, waren sie von den Verantwortlichen des Seminars wohl in der Eile nicht entsprechend auf das Menü abgestimmt worden. Prima! Ein gutes Lehrbeispiel aus der Praxis. Es gibt immer etwas zu berücksichtigen und zu verbessern.
Letzter Gang. Natürlich darf der Tokaji zum Abschluss (in Kombination mit Mandelsulz und Aprikosensoße) nicht fehlen.
Am nächsten Tag stehen unzählige Weine zur Probe an. Die Sensorikproben im Nachwuchsseminar beschränken sich keinesfalls auf die bekannten Bordeauxregionen. Evangelos Pattas, seines Zeichens einer der drei Vize-Präsidenten der Sommelier-Union und verantwortlich für die Vinothek im Stuttgarter Schloßhotel, macht es sichtlich Spaß, noch relativ unbekannte Weine seiner griechischen Heimat vorzustellen, zumal hier in den letzten Jahren ein enormer Qualitätsaufschwung stattgefunden habe. So können die Sommeliers interessante Erfahrungen zu diesen Weinen, beginnend im nördlichen Trakien bis Kreta im Süden, gewinnen. Die Jungtalente geben souverän - wie auch während des gesamten Seminars über - nahezu druckreife Weinbeschreibungen ab. Die mehrjährige Berufspraxis und Teilnahme an verschiedenen Sommelier-Wettbewerben spiegeln sich hier deutlich wider.
Während es mir gerade einmal gelingt, ein oder zwei weitere Aromen neben den obligatorischen Beerenfrüchten und der Vanille im vor mir stehenden Glas zu bestimmen, bin ich erstaunt, was die Jungprofis so alles zu erschnüffeln vermögen. Rosmarin, Knollensellerie, Tannenzweige und Süßholz. Soweit zum Thema Frucht und Pflanzen. Als Gewürze finden sich Spuren von Zimt, Gewürznelken, Muskat, Wachholder, Lebkuchengewürz, Sojasoße, Sternanis, Lorbeer, Pfeffer, Wochestersoße und, und, und... ach ja, unter "Verschiedenes" dann noch Leder und Karamel.
Neben all den erforderlichen theoretischen Kenntnissen über Rebsorten, Anbaugebiete, Winzer usw. fallen die weinsensorischen Fähigkeiten jedoch keinesfalls vom Himmel. Da sich die Berufsausbildung eines Sommeliers nicht nur auf die Funktion eines menschlichen Laborgaschromatographen beschränkt, ist sein Augenmerk u.a. darauf gerichtet, all seine Sinneseindrücke mit den für das jeweilige Getränk möglichen Speisen zu kombinieren. Diese Fähigkeit verlangt geradezu wie bei einem Musiker nach ständiger täglicher Übung.
So hat es sich Christina Göbel, Gewinnerin der Trophée Rothschild 2002, Siegerin der Trophée Ruinart ("bester Sommelier Deutschlands 2003") und "Sommelière des Jahres 2004", angewöhnt, sich die in der Küche entdeckbaren Gewürze, Kräuter und Düfte immer wieder zu verinnerlichen und ständig an Neuem zu schnuppern. Von synthetischen Aromasets zur Schulung der Sinne raten die Profis ab. Die nicht gerade billigen Duftstoffe hätten nur eine begrenzte Haltbarkeit und seien oft zu intensiv, indem z.B. die "Paprikanote" den gesamten Wohnbereich einhülle.