Deutschland - Sommeliers

Nachwuchs-Sommeliers - Trainingsseminar - Teil II

Seminarleiter Guy Bonnefoit

Optimal sei es, so Guy Bonnefoit, durch Übung am natürlichen Objekt, statt an einheitlichen Glasflakons die Sinne zu schärfen, da sich Geruch und Geschmack des Ausgangsproduktes dabei gleichzeitig mit dessen Aussehen assoziieren ließen und damit einprägsamer seien.

 

Erstaunt bin ich über den Ideenreichtum der Teilnehmer in Hinblick auf die wahrgenommenen Geruchseindrücke, die sie sich, so hoffe ich zumindest, wohl kaum während des Aroma-Trainings in der Küche ihres Arbeitgebers erschnuppert haben. Normale Dachpappe, Saunaholz, Unterholz, nasse Teerstraße - und das keinesfalls negativ gemeint - sind einige der vorgebrachten Beschreibungen, neben Pfirsich (der Stein!), Melone (die Schale!) und als krönender Abschluss "alter Kartoffelsack in altem Keller". Letzteres galt einem Wein, der etwas mehr "gelüftet" werden sollte.

 

Der Anblick eines abgeknabberten Pfirsichs und die gleichzeitige Wahrnehmung dessen Duftes erleichtere es dem Gehirn ungemein, die gewonnen Sinneseindrücke abzuspeichern. Selbstverständlich, dass sich zu jedem Wein unzählige Informationen einprägen lassen, insbesondere nach einer 50jährigen Tätigkeit auf diesem Gebiet.

Der Seminarleiter Guy Bonnefoit ist manchmal selbst überrascht, welche spontanen Lösungen ihm sein Unterbewusstsein anbietet. Wenn er einen Wein probiert, überlegt er sich sogleich, mit welchen Speisen dieser wohl harmonieren würde. So kann es vorkommen, dass ihm seine "innere Stimme" plötzlich "Fenchelgericht" zuflüstert, er abermals am Glas riecht und überrascht feststellt, dass er diese oder jene Note zuvor nicht bewusst wahrgenommen hatte, sein "inneres Helferlein" ihm wieder einmal einen Schritt voraus war.

Zweiter und letzter Seminartag. Am Mittagstisch diskutieren die Sommeliers über diesen oder jenen am Morgen zur Probe angestellten Wein, den einen oder anderen Job, Wettbewerbe usw. Auf meine Frage nach seiner augenblicklichen Tätigkeit antwortet mein sächsischer Tischnachbar Thomas Sommer, dass er bis vor wenigen Tagen in Berlin gearbeitet habe. Bis vor wenigen Tagen? Hat die Globalisierung nun auch die Sommeliers eiskalt erwischt? Arbeitslos? Nein, nein! Er werde für fünf Monate in Monaco arbeiten, um sein Französisch zu verbessern.

 

Neben den von den Teilnehmern als interessante Entdeckungen mitgebrachten Weinen lässt Jürgen Fendt, der die Deutschen Sommeliers bei der nächsten Sommelier-Weltmeisterschaft in Griechenland vertreten wird, ein weiteres Glas servieren. Die Runde ist sich unschlüssig darüber, ob es sich bei diesem Glas überhaupt um einen Wein handelt. Aber ja doch, es kann nur ein Chardonnay sein. Ertappt! Auch die Profis können also irren. Daher die Notwendigkeit des ständigen Trainings. Es handelt sich um einen badischen Grauburgunder, Jahrgang 1989 vom Weingut Bercher, entdeckt von Jürgen Fendt bei einer Kellerauflösung. Auch bei solchen Anlässen sind die Weinexperten gefragt.

 

Und was empfiehlt Jürgen Fendt's innere Stimme zu diesem Wein? Er habe da so seine Weinfreaks, die ständig nach Neuem verlangten. Und für die sei dieser Wein etwas Interessantes, beispielsweise als Aperitif zu diesem oder jenem...

 

Wie auf Kommando erheben sich plötzlich die Nachwuchssommeliers nach und nach. So schnell wie sie gekommen waren, verschwinden sie auch wieder in alle Himmelsrichtungen, vollgepackt mit neuen Eindrücken und Ideen. Und einer ist mit seinen Gedanken vielleicht schon im sommerlichen Monaco, eine Bouillabaisse mit dem oder dem Wein kombinierend (wohin es Thomas Sommer dann tatsächlich verschlagen hat, lesen Sie hier).

 

Christoph Hofmaier

Photos: © Hofmaier.com