Trüffeljagd im Piemont
Auf der Suche nach der weißen Knolle
von Christoph Hofmaier
Schon immer vermutete ich einen biologischen Sinn dahinter. Die Antwort darauf gab mir Dottore Gianluigi Gregori vom Centro Sperimentale Tartufficoltura di Sant'Angelo in Vado, kurzum, Forscher eines Trüffelforschungszentrums.
Der von den Trüffeln freigesetzte Duft entspricht den Pheromonen (Sexuallockstoffe) des Ebers. Kein Wunder also, dass die Sau nach den Knollen giert. Wie die Bienen zur Belohnung ihren Nektar erhalten und Pollen verbreiten, graben die Schweine die Trüffeln aus und sorgen damit für die Verbreitung der Pilzsporen.
Im Gegenzug dürfen sie dann die Knollen verzehren. Weitere Tiere, die sich ebenfalls für Trüffelknollen interessieren sind Ratten und Schnecken. Knollen? Sie sehen zwar aus wie Kartoffeln, sind aber keine. Bei den Trüffeln handelt es sich um einen unterirdischen Pilz. Ein Pilz, der in Symbiose mit Eichen, Haselnussbäumen, Linden, Pappeln, Schwarzbuchen und Silberweiden lebt. Ohne Bäume keine Trüffeln!
Ach ja, am 12.November dieses Jahres wohnte ich dem "8. White Truffle World Auction Sale" im Castello Grinzane Cavour, unweit von Alba, bei. Drei Trüffeln mit einem Gesamtgewicht von 1.509 g wurden dort zum sagenhaften Preis von 125.000 Euro von einem Bankier aus Hongkong ersteigert.
Diese Preisklasse löst bei Angelo Renato wohl nur ein ungläubiges Kopfschütteln aus. Und für den biologischen Sinn des Trüffeldufts hat er sich erst recht nie interessiert. Denn Angelo ist ein "Trifolao", ein Trüffelsucher! Nein, und ein Schwein habe er schon gar nicht! Viel zu umständlich. Seine treuen Teamkollegen heißen Cara und Giana, zwei Mischlingshündinnen. Caras Aussehen erinnert mich stark an den Jagdhund Carla (Deutsch Drahthaar) meines Freundes Michael.
Während der Trüffelsaison von September bis Dezember geht Angelo mit seinen Gefährten unzählige Nächte auf Trüffelsuche. Angelo, Rentner in den mittleren Sechzigern, grinst und fügt hinzu, dass er manchmal sogar mehr Nächte mit seinem Trüffelteam verbringen würde als mit seiner Frau.
Und warum geht er nur nachts auf Trüffelsuche? Weil es schon immer so war, die "Trüffeljagd" diente als Zubrot. Und das konnte man sich eben erst nach getaner Arbeit hinzuverdienen, nachts also. Dies sei jedoch nicht der einzige Grund, fügt Angelo sogleich hinzu. Jeder "Trifolao" habe - wie bei uns daheim die Pilzsucher - sein Geheimrevier. Und das teile er nur ungern mit seinem Nachbarn. So sei es auch nicht immer selbstverständlich, dass der Vater seine Informationen an den Sohn vererbe.
Aus diesem Grund darf auch ich nur einem Trüffeltraining beiwohnen. Zu seinen geheimen Trüffelfeldern könne er mich leider nicht mitnehmen. Und überhaupt verminderten sich die Felder mehr und mehr aufgrund von Umwelteinflüssen. Schon die Umleitung eines Baches könne dazu führen, dass sich keine Trüffeln an den Baumwurzeln mehr bilden. Sogar ein eigenes Trüffelsymposium bzw. eigene Forschungsaktivitäten habe man bereits initiiert, um dem Trüffelschwund Einhalt zu gewähren.
Ungeduldig, aber ohne zu bellen, warten Angelos Hunde in einem Verschlag seines Autos. Zunächst laufen wir durch die Rebzeilen des Nebbiolos, der berühmten Rebe des Piemont. Und die Reben gehören dem ebenso, wenn nicht sogar berühmteren Winzer Angelo Gaja. Unser Weg führt uns auch an Haselnusssträuchern vorbei, deren Früchte über die Grenzen des Piemonts hinaus bekannt sind.
Während seine beiden Freunde durch die Büsche huschen, gräbt Angelo schnell ein Loch, legt blitzschnell eine kleine Trüffel hinein, bedeckt sie mit Erde und läuft zehn Meter weiter. Dann ruft er Cara und fordert sie zur Trüffelsuche auf. Die Schnauze knapp über den Boden streifend rennt sie einmal nach hier und einmal nach da. Und schon nach einer halben Minute buddelt sie an der richtigen Stelle. Bingo! Zur Belohnung bekommt sie sofort ein Hundeleckerli.
Ob es denn ein Zufall sei, dass er keinen Rüden zur Trüffelsuche mitnähme, frage ich Angelo. Unmöglich, meint er. Die würden dann wie die Säue hinter den Pheromonen her sein und weglaufen. Nicht zu den Trüffeln, sondern den läufigen Hündinnen seiner Nachbarn, die irgendwo durch den nächtlichen Wald pirschen.
Ein Hund sei ja nun kein Schwein, meine ich. Und wie bringe er ihn nun dazu, ausgerechnet nach Trüffeln zu suchen? Ähnlich wie bei den Drogenhunden dienten die Trüffeln als Spielzeug bzw. sei deren Auffinden mit einer Belohnung verbunden. Jedoch sähen das nicht alle Hunde so. Einige seien ebenfalls auf den Geschmack gekommen und würden ihren kostbaren Fund auffressen. Daher wickelt Angelo seine Trainingstrüffeln stets in ein Tuch, bevor er sie verbuddelt. Nur so seien sie sicher vor Hundefraß.
Die Trüffelhunde erben ihre Anlagen naturgemäß von ihren Vorfahren. Eine optimale Zucht entscheidet daher über Erfolg oder Misserfolg. Ein guter Trüffelhund koste so um die 24.000 Euro, erklärt mir Angelo. Und schon einige davon seien in diesem Jahr an Gift verendet. Ob für Ratten bestimmt oder von neidischen Nachbarn in deren Revier ausgelegt, wer weiß es. Eine offene Frage.
Angenommen, Angelo müsste auf eine seiner Lieben verzichten, seine, Frau, die Hunde oder die Trüffeln. Für was würde er sich entscheiden? Wieder ein Lächeln. Ob er vielleicht noch einen Punkt hinzufügen dürfte? Wenn man ihm zwei seiner Finger abschneiden würde, ja dann, meint er, würde er lieber auf die beiden Finger verzichten.
Wieder und wieder verbuddelt Angelo seine Trüffeln. Und stets finden seine beiden Teamkollegen ihr Ziel. Bravo!
Als ich Angelo noch frage, wo er denn seine Trüffeln verkaufe, lacht er nur. No, no, die verkaufe er doch nicht! Die esse er selber mit seiner Familie oder verschenke sie an Freunde. Wohl dem, der sich zu Angelos Freunden, dem "Trifolao", zählen darf.
Für die anderen gibt es dennoch Möglichkeiten zum Erwerb dieser "Erdfrüchte". Beispielsweise auf dem Trüffelmarkt von Alba oder bei "Tartufi Morra" auf der Piazza E. Pertinace (s. Bilder oben) in Alba.
Natürlich finden wir Trüffeln in nahezu jedem Schlemmertempel. Eine kleine Übersicht über meinen Trüffelverzehr während vier Tagen in Alba finden Sie [hier].